Haben die anatolischen Khatais Schah Ismail gehört?

Autor/innen

DOI:

https://doi.org/10.24082/2024.abked.479

Schlagworte:

Schah Ismail Khatai, Anatolische Khatais, Kizilbasch, Konfession, Mawali, Dschafariten, Ali

Abstract

Trotz seines relativ kurzen Lebens hat Schah Ismail († 1524), der sowohl als Schah als auch als Scheich der Safawiden bekannt ist, einen Einfluss, der über Jahrhunderte hinweg anhält. Während seine politische Anziehungskraft, die ihn zu Beginn des 16. Jahrhunderts zu einem der mächtigsten Akteure der Region machte, kurz nach der Schlacht von Tschaldiran nahezu erlosch, hat sich seine religiös-mystische Persönlichkeit, bekannt unter dem Pseudonym Khatai, besonders in Anatolien über fünf Jahrhunderte hinweg lebendig gehalten. Obwohl Schah Ismail von der offiziellen osmanischen Ideologie und ihren Intellektuellen aus politischen Gründen lange Zeit ignoriert wurde, hat er seine religiöse Autorität vor allem dank der anatolischen Kizilbasch bewahrt, die zahlreiche Dichter hervorgebracht haben, die unter dem Pseudonym Khatai tätig waren. Die Kizilbasch schufen Texte und Melodien, die sie im Mittelpunkt ihrer rituellen Praxis platzierten, und bewahrten so ihren Glauben und ihre kulturelle Identität. Durch die Gedichte und Lieder, die von den anatolischen Khatais verfasst und vorgetragen wurden, erlangte Schah Ismail Khatai nahezu Unsterblichkeit.

Die Beziehung zwischen Schah Ismail und den anatolischen Khatais, die sich weniger anhand verlässlicher Dokumente und Aufzeichnungen als vielmehr entlang mündlicher Überlieferungen und narrativer Traditionen zurückverfolgen lässt, geht über die bloße literarische Reproduktion oder die Aufnahme eines charismatischen Glaubensführers in den Heiligenkult hinaus. Denn in den Einzelheiten dieser Beziehung verbergen sich die Codes eines soziologischen Bruchs, dessen politische Auswirkungen bis heute spürbar sind. Somit gehört die Beziehung zwischen den anatolischen Khatais und Schah Ismail zu den wichtigsten Grundlagen für die Erforschung der historischen Hintergründe des anatolischen Kizilbasch-Glaubens, der bis heute ein aktuelles und oft diskutiertes Thema ist.

Wir verfügen nicht über ausreichende wissenschaftliche Daten, um festzustellen, welche Gedichte von Schah İsmail vor und nach 1514 in Anatolien im Umlauf waren und wie viele davon im Laufe von fünf Jahrhunderten entweder in Vergessenheit geraten oder abgewandelt worden sind. Mit anderen Worten können wir uns zwecks einer umfassenden Bewertung des Prozesses bei der Beantwortung dieser Frage nicht allein auf die heute in der rituellen Praxis des anatolischen Kizilbasch-Glaubens vorhandenen Originalgedichte und -aussagen von Schah Ismail stützen. Ein realistischer und gezielter erster Schritt für weiterführende Forschungen könnte daher mit der bereits von anderen Wissenschaftlern aufgeworfenen Frage beginnen: „Wie und in welchem Ausmaß haben die anatolischen Khatais Schah Ismail verstanden und in welchem Maße repräsentieren sie seine religiöse Identität?“

Ziel dieses Artikels ist es, die religiöse Persönlichkeit Schah Ismails in ihren Grundzügen nachzuzeichnen und ihre Spuren bei den anatolischen Khatais zu verfolgen. Zunächst wird der historische Kontext zusammengefasst, der als entscheidend für die Ausprägung von Schah Ismails Glaubenswelt angesehen wird. Anschließend werden anhand der 2017 veröffentlichten Gedichtsammlung Khatai-Diwan Begriffe wie Allah, Prophet, Tauhid, Konfession, Kizilbasch, Dschafariten, Husseini, Mawali und Ali analysiert, die als charakteristische Merkmale seiner religiösen Haltung gelten. Diese Begriffe werden dann in Bezug auf ihre Reflexionen bei den anatolischen Khatai untersucht.

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Veröffentlicht

2024-12-27

Zitationsvorschlag

[1]
Ceylan, Ömür 2024. Haben die anatolischen Khatais Schah Ismail gehört?. Forschungszeitschrift über Alevitentum und Bektaschitentum. 30 (Dez. 2024), 3–35. DOI:https://doi.org/10.24082/2024.abked.479.

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