Eine Neuverortung des Romans und Films Nur Baba (1922) in der Geschichte der Marginalisierung der Aleviten
DOI:
https://doi.org/10.24082/2025.abked.491Schlagworte:
Türkisches Kino, Türkische Literatur, Alevitentum, Repräsentation des Anderen, Nur BabaAbstract
Der Roman Nur Baba von Yakup Kadri Karaosmanoğlu wurde erstmals 1922 veröffentlicht und im selben Jahr von Muhsin Ertuğrul verfilmt. Der Film wurde von Aleviten/Bektaschis zur Zeit seiner Entstehung und Aufführung heftig kritisiert, da er ihre Gemeinde als sexuell abweichende und moralisch degeneriert darstellte. Eine solche Form der Darstellung der Aleviten hat in der türkischen Literatur und den Medien seit fast einem Jahrhundert Bestand. Im Laufe der Zeit entwickelte sich die Figur des „moralisch degenerierten Aleviten“ zum einem festen Stereotyp. Ziel dieser Arbeit ist es, die Stellung des Romans und Films Nur Baba in diesem Prozess zu untersuchen und den Beitrag des Romans zur Verfestigung dieses Stereotyps herauszuarbeiten.
Da in der Gegenwart keine Kopie des Films erhalten ist, wurde hier eine deskriptive Analyse des Romans vorgenommen. Da der Film eng an die Romanvorlage angelehnt war, lassen sich anhand dessen Inhalts auch Rückschlüsse auf den Film ziehen. Die Analyse des Romans stützt sich auf wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit den Zuschreibungen sexueller Devianz gegenüber „Anderen“ durch dominante Identitäten befassen. In diesem Rahmen findet eine kritische Betrachtung der Debatten über Nur Baba in der Literatur- und Kunstmilieu statt. Zudem wird darauf hingewiesen, dass Werke der türkischen Literatur, in denen Aleviten/Kizilbasch zum Gegenstand von Volksverhetzung gemacht werden, bis heute unverändert von einzelnen Verlagen neu aufgelegt werden.
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass der Roman Nur Baba einen Wendepunkt in der Geschichte der Marginalisierung der Aleviten darstellt, der der türkischen Literatur und Kunst die methodischen Grundlagen zur negativen Darstellung der Aleviten hinterlassen hat. Um die Rolle von Nur Baba in der Geschichte der Marginalisierung der Aleviten besser zu verstehen, werden am Ende des Artikels Beispiele aus der türkischen Presse und dem Fernsehen, in denen Aleviten negativ dargestellt werden, in chronologischer Reihenfolge diskutiert. Es wird betont, dass die Tatsache, dass das Klischee des „moralisch verkommenen Aleviten“ sich anders als in der Literatur (1922–1959) nicht auch im Kino etablieren konnte, dem Widerstand der bektaschitischen Gemeinde gegen den Film zu verdanken ist.
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