Der Pir Sultan Ocak in Hacılı im Kontext des Wandels des Alevitentums

Autor/innen

DOI:

https://doi.org/10.24082/2021.abked.322

Schlagworte:

Dedetum, Pir Sultan Ocak, Hacılı, Große Hütte, Mehmet Çelebi

Abstract

Der vorliegende Artikel befasst sich anhand des Beispiels des Pir Sultan Ocaks (Geistlichenfamilie) in Hacılı mit dem sich in Abhängigkeit von Urbanisierungsdynamiken vollziehenden Wandel der Institution des Dedetums. Die Tatsache, dass weite Teile der dörfischen Bevölkerung aus sozio-ökonomischen Gründen in die Stadtzentren abgewandert sind, hat sich auch auf die Funktion der Institutionen des Alevitentums ausgewirkt. Vor dieser Migrationsbewegung von den Dörfern in die Städte wurde das Dede-Talip-Verhältnis von alevitischen Gemeinden aktiv gepflegt. Der Umzug in die Städte bedeutete für die Gemeinschaften jedoch eine Entfernung von ihrem traditionellen Umfeld. Innerhalb der neuen sozio-ökonomischen Ordnung waren sie nicht in der Lage, das Dede-Talip-Verhältnis aufrechtzuerhalten. Dass dieses nun in den Stadtzentren nicht mehr wie zu früheren Zeiten gepflegt werden kann, hat sich negativ auf die zentralen Institutionen des Alevitentums, vor allem das Dedetum, ausgewirkt.

Der Pir Sultan Ocak, dessen Zentrum sich im Dorf Banaz in der Provinz Sivas befindet, hat zwei Ableger. Der eine ist im Dorf Çambulak im Landkreis Almus der Provinz Tokat beheimatet und geht auf Pir Mehmet zurück. Der andere befindet sich im Dorf Hacılı im Landkreis Pülümür der Provinz Tunceli und geht auf Er Gaib zurück. Im Fokus der vorliegenden Arbeit steht der Pir Sultan Ocak in Hacılı, der in der Ahnenlinie von Er Gaib steht und seine Funktionen bis heute zu erfüllen versucht. Die Räumlichkeiten des Pir Sultan Ocaks von Hacılı, ein historisches Cemevi, dass von dem Ocak genutzt wird, wird von Mehmet Çelebi betreut, der selbst einer der Pirs des Ocaks ist. Die Gründung dieses historischen Ortes, der von Bevölkerung vor Ort als “Große Hütte” bezeichnet wird, liegt etwa 600 Jahre zurück und fällt in jene Zeit, als Pir Sultan von der Tekke in Ardabil nach Anatolien zurückkehrte. In der vorliegenden Arbeit werden Erzählungen über die Geschichte der Großen Hütte umfassend dargestellt, während Mehmet Çelebis Lebensgeschichte und seine Zeit als Dede mit Blick auf den Wandel des Status der Dedes unter einer gesonderten Überschrift erörtert werden.

Es ist bekannt, dass heutzutage keine Cems mehr in der Großen Hütte abgehalten werden. Die Bevölkerung des Dorfes ist im Laufe der Jahrzehnte aufgrund des Militärputsches von 1980, des Erzincan-Erdbebens von 1992, des langanhaltenden Ausnahmezustands und der sich verändernden sozioökonomischen Bedingungen allmählich zurückgegangen. Die Verlagerung des Dorflebens in die Landkreis- und Provinzzentren, die im Zuge der Urbanisierung stattfand, verschärfte diesen Rückgang, schadete dem traditionellen Dede-Talip-Verhältnis und wirkte sich negativ auf die Funktion des Pir Sultan Ocaks von Hacılı aus. Darüber hinaus wurde als Ergebnis der vor Ort durchgeführten Interviews festgestellt, dass Mehmet Çelebi Dede sowohl für die Dorfbewohner als auch für seine Talips von großer Bedeutung ist und darüber hinaus eine aktive und zentrale Rolle dabei spielt, dass die Funktion des Ocaks bis heute aufrechterhalten werden kann.

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Veröffentlicht

2021-07-06

Zitationsvorschlag

[1]
Demirbilek, Çiğdem 2021. Der Pir Sultan Ocak in Hacılı im Kontext des Wandels des Alevitentums. Forschungszeitschrift über Alevitentum und Bektaschitentum. 23 (Juli 2021), 161–186. DOI:https://doi.org/10.24082/2021.abked.322.

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